Geschichte
Frühzeit und Mittelalter
Sowohl der Brennerpass als auch der Jaufenpass wurden bereits seit prähistorischer Zeit regelmäßig genutzt. Steinzeitliche und bronzezeitliche Funde am Jaufenpass belegen Jagdtätigkeit in dieser Zeit. Archäologische Funde, beispielsweise am Kronbühel in Thuins, zeugen von prähistorischen und römischen Siedlungsstrukturen. Unter dem römischen Kaiser Nero Claudius Drusus (38–9 v. Chr.) entstand die Siedlung Vipitenum. Übrigens stammt von diesem Namen die italienische Ortsbezeichnung für Sterzing (Vipiteno), die im Zuge der faschistischen Assimilierungspolitik unter Mussolini eingeführt wurde. Der Mithrasstein von Sterzing, ein Relikt aus römischer Zeit, weist auf die Verbreitung des Mithraskultes in diesem Raum hin. Der aus Kleinasien bzw. aus dem Römischen Reich stammende Mysterienkult, der seine Wurzeln in Persien hat, zeugt von einer großräumigen Vernetzung Eurasiens in der Antike. Die erste urkundliche Erwähnung von Sterzing stammt aus dem Jahr 1180 als „Sterzengum“. Meinhard II (ca. 1238–1295), der Graf von Görz und Tirol, Herzog von Kärnten und Pfandherr von Krain und der Windischen Mark, erhob Sterzing um ca. 1280 zur Stadt. Er war es auch, der eine Stadterweiterung (Neustadt) durchführen ließ.
Neuzeit
Aufgrund der Lage an der Brennerroute und durch das Handelsprivileg begann eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges. Insbesondere im 15. Jahrhundert, als im Wipptal Silberminen erschlossen wurden und der Bergbau einsetzte, erlebte Sterzing eine Blütezeit. Trotz der relativ geringen Einwohnerinnen- und Einwohnerzahl stellte Sterzing einen bedeutenden Handels- und Marktplatz sowie Gerichtssitz dar. Darüber hinaus spielte die Stadt in ihrer Funktion als Versammlungsort bzw. Drehscheibe eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Bergbaus, der bäuerlichen Wirtschaft und der regionalen Kulturtätigkeit. Viele Unternehmerfamilien wählten Sterzing für ihre Niederlassungen aus. Ihnen sind die Bauten im Patrizierstil zu verdanken, die noch heute das Stadtbild von Sterzing prägen. In dieser Zeit des Aufschwungs im 15. Jahrhundert entstanden auch das Heilig Geist-Spital und die dazu gehörige Heilig Geist-Spitalkirche, das Wahrzeichen von Sterzing, der Zwölferturm, der Ansitz Jöchlsthurn mit der dazugehörigen St. Peter- und Paulskirche, das Rathaus und die Pfarrkirche im südlichen Teil der Stadt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts änderten sich die Gegebenheiten. Die regionalen Silbervorkommen erschöpften sich und in Sterzing setzte ein wirtschaftlicher Niedergang ein, der bis ins 19. Jahrhundert andauerte.
Tiroler Volksaufstand
Im Zuge der Napoleonischen Kriege von 1792 bis 1815 wurde Tirol zu Beginn des 18. Jahrhunderts von französischen Truppen besetzt. Im Frieden von Pressburg musste Österreich die Grafschaft Tirol 1806 an den französischen Bündnispartner Bayern abtreten. Der bayrische König Maximilian I. Joseph versuchte zunächst das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Dazu gehörte z.B. die Bestätigung der Unantastbarkeit der Tiroler Landesverfassung inklusive des „Landlibells“, welches das tiroler Militär- und Verteidigungswesens regelte. Damit schien das Fortbestehen der bisherigen Sonderstellung Tirols gesichert. Allerdings setzen die eingesetzten bayrischen Verwaltungsbeamten sehr rigide die Verordnungen der bayrischen Ministerbürokratie (unter Minister Maximilian von Montgelas) um. Diese Maßnahmen zielten auf eine Neuordnung des neu entstandenen Königreichs Bayern ab. Hinzu kamen eine deutlich höhere Steuerlast und die Einmischung (Restriktionen) in kirchliche Angelegenheiten. Durch die Neuordnung Bayerns nach französischem Vorbild verschwand die Tiroler Landesverfassung praktisch und Tiroler konnten entgegen der verbrieften Landesfreiheit nun auch zum bayrischen Militärdienst einberufen werden. 1809 brach schließlich, unterstützt von Österreich, der Volksaufstand aus, in dem Andreas Hofer eine entscheidende Rolle spielte. Im Kampf um Sterzing im April 1809 konnten sich die Tiroler gegen die Bayern durchsetzen. Besonders im südlichen Tirol hielt sich der Widerstand auch nach dem Znaimer Waffenstillstand (Juli 1809), in dem Österreich in den Abzug aus Tirol und Vorarlberg eingewilligt hatte. Andreas Hofer übernahm kurzfristig die Verwaltung des Landes und ließ sogar eigene Tiroler Münzen prägen. In der vierten und letzten Schlacht am Bergisel im November 1809 wurden die Tiroler Truppen schließlich geschlagen und selbst spätere kleinere Erfolge z.B. bei Meran oder St. Leonhard in Passeier konnten im Aufstand keine Wende mehr herbeiführen.
19. und 20. Jahrhundert
Durch die Errichtung der Brennerbahn ist Sterzing seit 1867 in das europäische Eisenbahnnetz eingebunden.
1877 wurde das sumpfige Gelände des Sterzinger Mooses trocken gelegt, was in der Folgezeit die Entwicklung einer leistungsfähigen Landwirtschaft begünstigte.
Von Kriegsschäden blieb Sterzing im Ersten Weltkrieg verschont. Mit dem Vertrag von St. Germain fiel Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg allerdings an Italien, wobei die neue Grenzziehung über den Brenner erfolgte. Nach der Machtübernahme Mussolinis in Italien 1922 wurde in Südtirol die Assimilierungspolitik der „Italienisierung“ betrieben. Sterzing erhielt den italienischen Namen Vipeteno.
Nach der Besetzung des Sudentenlandes und dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland, erhofften sich auch viele Südtirolerinnen und Südtiroler eine Angliederung an das Deutsche Reich. Stattdessen erhielten sie die so genannte „Option“, die ihnen freistellte in das Deutsche Reich zu übersiedeln oder die italienische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Damit setzte eine enorme Emigrationswelle ein, die erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht 1943 ein Ende nahm. Lange Zeit belasteten Konflikte zwischen „Optanten“ (Ausgewanderte, die vielfach nach 1943 bzw. nach Kriegsende zurückkehrten) und „Dableibern“ das Land in vielfacher Weise und prägte politische, gesellschaftliche und private Diskurse.
Die Stadt Sterzing blieb zumindest von Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont, allerdings war z.B. die Burg Sprechenstein davon betroffen.
Rattenlinie
In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde Sterzing zum Durchgangsort der Rattenlinie. Als Rattenlinien bzw. „rat-lines“ wurden vom US-Geheimdienst jene Fluchtwege bezeichnet, auf denen gesuchte Angehörige des NS-Regimes, der SS und der Ustascha (kroatische faschistische Bewegung) nach dem Zweiten Weltkrieg Europa verließen. Der Weg über den Brenner, durch Südtirol nach Rom und weiter nach Argentinien oder in arabische Länder, gehörte zu den wichtigsten Routen auf denen unzählige Kriegsverbrecherinnen und Kriegsverbrecher aus ganz Europa einer gerichtlichen Anklage entgingen. Würdenträger der Katholischen Kirche spielten beim Aufbau (ab 1943) und bei der Organisation eine entscheidende Rolle. Vielfach wurde auf bestehende kirchliche Netzwerke zurückgegriffen.
Auch in Sterzing fanden viele Zuflucht. Der damalige Pfarrer von Sterzing unterstützte unter anderem Adolf Eichmann, der daraufhin im Franziskanerkloster in Bozen zeitweilig Unterschlupf fand.
Südtiroler Autonomie
Im Pariser Vertrag wurden für die damalige Region Trentino-Südtirol Autonomierechte festgelegt. Durch die zögerliche Umsetzung entstand in den 1950er Jahren eine Protestbewegung, deren Gallionsfigur Silvius Magnago wurde. 1960 wurde in einer UNO Resolution nochmals auf der Umsetzung des Pariser Vertrags bestanden, wobei die zähen Fortschritte dennoch zu Bombenattentaten in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren führten. Erst 1992 wurde schließlich die vollständige Umsetzung erfüllt. Um den Dialog und die Verständigung zwischen den Volksgruppen bzw. um die reibungslose Pluralität in Südtirol hat sich der Sterzinger Alexander Langer insbesondere in den 1970er Jahren verdient gemacht.
Mittlerweile ist Südtirol als Modellregion in Bezug auf den Umgang mit Minderheiten anzusehen.
Wirtschaftlich haben in Sterzing mittlerweile neben dem Handel und der Verwaltung auch Gesundheitswesen, Sport und Fremdenverkehr an Bedeutung zugenommen. Besonders dem Tourismus kommt dabei eine wichtige Rolle zu.